Day 6 - La Spezia, Portovenere
Genua ist als Zwischenstopp wirklich ganz okay. Darüberhinaus würde ich aber nicht gehen.
Das Frühstück, das ich mir am Vorabend noch ergattern konnte, war sooooo lecker. Hierbei ein Tipp, weil ich schon lange keinen mehr gebracht habe:
Fragen kostet nichts. Ein Lächeln genauso. Man muss einfach freundlich und höflich auf die Menschen zugehen. Auf diese Weise bekommt man immer (zumindest) eine Kleinigkeit. Sei es ein guter Rat, eine positive Rückmeldung, eine Empfehlung, ein Lächeln, eine nette Geste, Freundschaft, eine Einladung, etc. . => „zumindest“ ist in meinen Augen nicht notwendig, weil all die oben angeführten Dinge so viel wert sind. Auch wenn man sie oftmals übersieht, so können sie in anderen Momente Hoffnung und Rettung sein.
Nun, mein Plan für diesen Tag war es nach La Spezia zu fahren. Die Cinque Terre (?) waren eine meiner Prioritäten des Trips. Hätte ich gewusst, dass dort aaaaaaaaaaaaaaaalles durchgehend ausgebucht ist, hätte ich zu 100% einfach im
Voraus gebucht. Auch wenn dies etwas Spontanität nimmt. Jedenfalls liegt La Spezia ungefähr im Süden der Küste und ist die nächste Station nach Riomaggiore, des letzten Dorfes.
Auf der Zugfahrt durch die unzähligen Tunnel konnte ich auch ein paar Mal einen kleinen Blick auf die Küste werfen. Ich freute mich so sehr darauf, alles erkunden zu können und mich zurückzulehnen. Zuerst musste ich aber ins Hostel gelangen, welches ich noch irgendwie in der Nacht in Nizza gefunden hatte. Ich muss gestehen, ich habe mich nicht sonderlich viel damit beschäftigt und so ging ich mit -62 Erwartungen hinein. Well, well. Der Host des Hostels, Andrea, empfing mich mit dem breitesten Lächeln und führte mich in die Wohnung. Das Hostel „Costello“ bestand aus einer großen, wunderschönen, heimeligen Wohnung, in der genau 3 Dorm-Rooms Platz hatten. Oben angekommen bedankten sie sich schon erstmals recht herzlich, dass ich da war und boten mir einen Willkommensdrink an. Ich war ziemlich früh dran. Die Hostelangestellten traten mir so freundschaftlich und auf Augenhöhe entgegen und erzählten mir gleich alles über die Wanderwege. Als ich mein Zimmer beziehen konnte, war es für mich das erste Mal, dass es keine Schlüssel gab. Anfangs dachte ich mir, dass es schon komisch und risikoreich ist. Aber an sich gab es mir das erste Mal auf meinem bisher eher einsamen Trip das Gefühl nach Hause zu kommen in einer Unterkunft. Nachdem ich mich fertig eingerichtet hatte, spazierte ich zur Bushaltestelle und nahm den Bus nach Portovenere, einem kleinen Fischerdorf, mit wunderschöner Altstadt, Kirche und Burgruine.
Nach 2 Stunden in der Stadt beschloss ich, einen Wanderweg zu besteigen. Zuerst musste ich mir aber noch Wasser kaufen, sonst wäre ich definitiv verdurstet. Die Wanderung begann so steil, dass ich nach den ersten 5 Schritten eigentlich keinen Bock mehr hatte. Die Hitze und meine top-bestseller-Wanderausrüstung, Sandalen mit ohne Profil🥲/Profil tiefer als die Seele von manchen Menschen/ Profil tiefer als so manche Konversationen (das englische tief, nicht das deutsche), machten mir anfangs etwas zu schaffen. Ich schwitzte so ziemlich alles raus, was jemals drinnen war. Aber ich gab nicht auf, weil es machte so Spaß irgendwo herumzuklettern und die Gegend zu erkunden. Mein Wanderweg ging leider strikt durch die Büsche und somit musste ich immer einen kleinen Abstecher machen, um einen Blick auf die Küste zu erlangen. Von jedem meiner gewählten Aussichtspunkte hatte man den schönsten Ausblick auf die traumhafte Landschaft. Die wundervollen steilen Küsten, das türkisblaue Meer, dessen Wellen immer wieder gegen das Gestein prasselten. Hier fand ich genau, wonach ich gesucht hatte. Freiheit, die Schönheit und Lebendigkeit der Natur. Und ich ganz klein auf einer der vielen Hügelspitzen.
Wo oder wie ich hinkam, spielte für mich in dem Moment keine Rolle, daher bin ich auch wirklich schlecht darin, jemandem gute Empfehlungen zu geben. Gerade wenn darum geht, neue Orte zu sehen, bin ich immer offen für alles und lege mich nicht direkt auf etwas kommerzielles fest. Ich gehe lieber einfach drauf los und schaue, wo mich meine Füße (und Hände) hinführen. Aber jedem das seine. Ich kann natürlich Empfehlungen aussprechen, aber diese sind oft so subjektiv. Vielleicht bin ich oft zu sehr von meinen Emotionen bewegt und habe so andere Einstellungen und Eindrücke, als jemand anderes.
Jedenfalls erforschte ich fast jeden Stein auf dem Weg zur Burg Muzzerano. Irgendwann gelangte ich zu einer Straße und wusste nicht mehr ganz wohin der Weg nun weitergehen soll. Hierbei war dann Google-Maps ziemlich hilfreich. Ich sah, dass ich nicht weit von einer Aussichtsplattform entfernt war und so ging ich des Weges. Das Plätzchen wirkte ziemlich verlassen und ich glaube nicht, dass es so oft jemanden dorthin verschlägt. Ich traf nur auf einen Mann. Mit Sicherheitsabstand, wegen Corona natürlich (und vielleicht auch, weil man bei einer steilen Küstenwand nicht mutterseelenallein neben einem Fremden stehen will, der einen, wenn in seinem Hirn die Kabeln durchbrennen, kurzerhand mal die Klippe runterstößt). Weil ich nach drei Fotos eigentlich ziemlich genug hatte, wollte ich den Platz noch ein wenig unsicherer machen. Irgendwo hinter den Büschen befand sich ein kleiner freier Weg, der zwischen den Felsen nach oben führte. Mit meinen Sandalen natürlich kein Problem. Bin gleich fast ganz hinaufgesprintet, nur kam ich irgendwann nicht mehr weiter, weil ich vor einer Felsmauer stand. Zuerst versuchte ich mit Rucksack und Sandalen raufzuklettern. Leider vergeblich, weil für die ganz krassen Dinge mussten die Sandalen leider abgegeben werden. Einer der Schuhe lag dann unten am Beginn der Felswand und der andere in der Mitte des Felsens, der Rucksack dazwischen. Mit 4 Schritten war ich dann oben auf der Kuppe. Ich war überrascht, wie gut ich mir meine vier Boulderhallenbesuche zu Nutze machen konnte. Ein Wahnsinn. Ein Wahnsinn war aber auch der Ausblick!!!! Sooo traumhaft schön. Ein wenig mulmig war mir anfangs zwar schon zumute, aber die Schönheit der Natur und diese staunenswerte Aussicht ließen mich darauf vergessen.
Im Ganzen verbrachte ich dann wohl eine Stunde auf diesem verlassenen Plätzchen. Mein Handy durfte für ein paar Fotos auch herhalten und war anscheinend ein wenig pissed auf mich. In einem kurzen Moment der Unaufmerksamkeit machte es sich auf den Weg nach unten und rutschte 5 Meter weit in einen kleinen Busch hinein. Kleiner Herzinfarkt-Moment für mich. Eh nur so 100m runter oderso (keine Ahnung, bin schlecht im Schätzen). Ohne Handy wär der Trip auch nicht mehr so lustig gewesen, denke ich mal. Aber okay. Es hat mir ja nur einen kurzen Streich gespielt und ist brav hängen geblieben. Das war dann der Anstoß dafür wieder aufzubrechen. Und so hielt ich noch einen kurzen Augenblick inne, atmete die frische, kühle Luft der Cinque-Terre-Berge ein, kletterte hinunter und sammelte dabei meine zwei Sandalen und den Rucksack ein. Anschließend trat ich die Reise zurück nach Portovenere an. Ich stoppte zwar einmal noch kurz wo anders, um zu erforschen, ob für Portovenere dasselbe gilt wie für Rom, dem war aber nicht so. Nicht alle Wege führen dahin. Der Weg den ich einschlug schon garnicht. Kurzerhand wurde wieder umgedreht und dann rutschte ich ungefähr fünfzehn Minuten lang den Wanderweg hinunter. Meine Sandalen halfen mir toll dabei. Kein Halt, keine Reibung. Top. Kein (Flip-)Flop. Oder naja, beides wahrscheinlich gleich gut fürs Wandern.
In Portovenere ging ich dann zuerst einmal in das Geschäft, in dem ich zuvor ein schönes blaues Kleid gesehen hatte. Leider war ich wirklich schmutzig und fühlte mich ein wenig unwohl so verschwitzt und dreckig in der Stadt herumzuspazieren. Aber zurück zum Kleid. Ich kleiner Sparfuchs dachte mir, wenn das Kleid noch da sei, dann muss ich es mir kaufen, weil dann ist es ein Zeichen. Uuuund? Ja, es war noch da und keine Sekunde später gehörte es schon mir. Dann sprang ich endlich ins Wasser und konnte mir die Erde und den Schmutz von den Füßen waschen. Das lang ersehnte Schwimmen tat wirklich gut und ich fühlte mich wie neu geboren. Nach kurzem Lufttrocknen suchte ich die nächste Bushaltestelle und fuhr zurück zum Hostel in La Spezia.
Im Hostel war mächtig was los und ich fühlte mich zuvor ein wenig verloren. Nach einer angenehmen Dusche setzte ich mich mit meinem E-Reader und meinen 2 letzten Vorräten an Essen in eine Hängematte auf der Terrasse. Ich war mega müde, aber irgendwie wollte ich auch Freundschaften knüpfen oder zumindest ein wenig Kontakt zu anderen Menschen suchen. Aber in mir drinnen war ein großer Kampf zwischen Schlafengehen und Gespräch suchen. Der Dude in der Hängematte hatte wohl ähnliche Gedanken, nur konnte ich es einfach nicht über mich bringen ihn anzureden. Das Interesse war leider zu klein. 10 Minuten versuchte ich dann mich auf meine Märchensammlung von Hans Christian Andersen zu konzentrieren, was ganz und gar nicht klappte. Ich konnte zwei Burschen am Tisch zuhören, die sich auf Deutsch über ihren letzten Abend unterhielten. Ich wusste nicht, ob ich einfach mit ins Gespräch einsteigen sollte oder nicht. Dann kamen plötzlich drei andere an meiner Hängematte vorbei. Fragt bitte nicht, wer da an mir vorbeigegangen ist. Die einzige Person, die sich in meinem Kopf eingebrannt hat, war ein großer blonder Junge, der mich mit dem breitesten Lächeln ansah und “Hello” sagte. Klar entgegnete ich selbst auch mit “Hello”, aber ich musste mich sofort umdrehen und hinterhersehen, weil ich nicht glauben konnte, dass das wirklich passiert ist. Er hatte so eine wahnsinnig liebe Ausstrahlung und brachte so viel Wärme mit sich. Nur doof, dass er nicht mehr zurück auf die Terrasse kam. Somit war ich plötzlich sehr motiviert nachzusehen, wo alle hingegangen waren und tappte ins Vorzimmer. Dort hatten sich ungefähr sieben Leute versammelt. Woher auch immer dieser Schwall an Selbstbewusstsein kam, weiß ich nicht, jedoch fragte ich sofort direkt heraus: “Are you guys doing anything? If yes, could I come because I don’t want to be so lonely tonight.” Und ich wurde von allen angegrinst und jeder nickte. Ich durfte mir noch ganz schnell ein anderes Kleid überwerfen und holte meine Tasche. Dann gings los. Alles ziemlich schnell. Die Müdigkeit war wie weggeblasen, weil das Adrenalin so schön kickte. Am Weg zur Bar konnte ich alle zumindest ein wenig kennenlernen. Schon krass, dass man innerhalb von gefühlt fünf Minuten sieben neue Freunde hat, mit denen die Gespräche wirklich wunderbar sind. Für mich war dies wohl das zweite Mal ein richtiges Kennenlernen auf meiner bisherigen Reise. Ich schloss alle in mein Herz, unter ihnen waren: Julia (aus Wien), mit ihr konnte man sich so toll unterhalten und sie hat mich sofort in die Gruppe inkludiert; Jannik (aus der Schweiz), der erste Bibliothekar, den ich je kennenlernen durfte; Robin (aus Wels) total lieber Bursche, der viel zu erzählen hatte; Emilia (aus Deutschland), die ebenfalls auf Interrailreise war; ein Dude aus Kolumbien(???), studierte irgendein Instrument in Frankreich; der blonde Junge (Name unbekannt, aus Dänemark) machte mit seinem Freund, ebenfalls blond (Name unbekannt, aus Dänemark) eine Reise durch Italien und Frankreich. Ich hatte durchgehend das Gefühl, dass Emilia und der nette blonde Däne etwas am Laufen hatten, deshalb unterhielt ich mich eher weniger mit ihm. Die Bar war ziemlich cool und eine gute Corona-Lösung, weil sie sich im Freien befand und man sich gut zusammensetzen konnte. Wir blieben ungefähr zwei Stunden und als die Bar schloss, standen wir noch eine halbe Ewigkeit vorm Eingang, weil die Gespräche so interessant waren. Ich tratschte dann doch total lange mit dem Dänen und hatte viel Spaß über Differenzen in Sachen Schule und Lebensstandard unserer beider Heimatländer, sowie über das Leben generell zu reden. Irgendwann erreichten wir dann aber doch noch unser Hostel und trafen im Bad allesamt nochmals aufeinander. Es fühlte sich wirklich an, als wär man in einer großen Familie untergebracht. Diese Unterkunft hat mir wirklich einiges an Erfahrung und Wohlgefühl mitgegeben. Auf einer Reise allein ist es wirklich wundervoll unter anderem ein Mal das Gefühl zu haben, zu Hause zu sein und nicht nur in einem kleinen Bett zu schlafen und am nächsten Tag wieder abzuhauen. Dieser Abend war wirklich toll und bleibt wohl sehr lange in Erinnerung. 💜













Kommentare
Kommentar veröffentlichen