Heimkommen

Zuhause ist kein Ort und nichts zum Angreifen. Es ist das Gefühl, sind die kleinen Gesten, die Blicke, die Berührungen, ist die Kastanie in meiner Jackentasche, das Sudokurätsel in meinem Rucksack, sind die Menschen, die dir Nähe und Zuwendung schenken. Oder auch unbeachtet Aufmerksamkeit. Manchmal fühlt man sich selbst und der Welt so fern. Anders das Gefühl heimzukommen. Den Bahnsteig überqueren, der einst die Grenze zur Ferne und zugleich das Tor ins Nichts war. Überquert und sogleich die Umgebung wahrgenommen. Vertraute Gerüche. Die Erde, der Bach, die Blätter. Das Schneiden der Säge hinter verschlossenen Türen. Das Bellen eines Hundes, den es nicht mehr gibt. Von der Erinnerung getäuscht, aber gleich wiedererkannt. Der gleiche Blick über die rechte Schulter. Mit dem selben Respekt, der selben Scheu und dem selben Bewusstsein, dass der Hund niemals auf meine Seite des Zauns kommt. Zwanzig Schritte bis zur Brücke. Das Geländer vergraut und staubig. Sauber ist die Wahrnehmung auf den Endspurt. Den gebückten Gang aufrichten, ein Auge auf das Anwesen werfen und den einen großen Kieselstein weiterkicken. "Wenn ich den bis heimkicken kann, ohne dass er in den Kanal oder wo anders hinfällt, dann passiert was Gutes." Ein Glück, dass Gutes relativ ist. Gut, dass ich meinen Schlüssel aus der linken Jackentasche mit der Kastanie hole. Einmal durchatmen und die Schuhe auf der rauen Fußmatte abstreifen. Zweimal fest abklopfen, dann zweimal streifen. Schlüssel ins Loch. Fuck, schon wieder der Falsche. Gewohnheit. Der richtige ist so einsam auf seinem eigenen Ring. Die Tür springt auf, wie jeher. Habe ich mir jemals eine andere Tür gewünscht. Habe ich mir jemals gedacht: "He, die Türe fühlt sich so viel sicherer an. Unsere springt immer gleich auf." Als müsste sie den Druck ausgleichen.
Ein Atemzug, ein Schritt auf den Steinboden. Ein Fuß auf die Ferse des anderen und den Schuh abziehen. Hier bückt sich niemand. Kein langer Aufenthalt im Eingangsbereich. Hier möchte man nicht verweilen, ich will meine Jacke und meine Sachen ablegen. Nichts im Eingangsbereich scheint so einladend, einladend zu sein. Nichts ablegen, weitergehen. 

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